Süddeutsche Zeitung: Zauberische Singstimmen, Rachel Harnisch, Graziella Contratto
Auch Dirigentin Graziella Contratto hat sich ihren Booklet-Text selbst geschrieben - zur Musik Gustav Mahlers und Artur Schnabels.
Die Schweizer Pianistin, Autorin und Hochschulprofessorin ist eine eigenwillige, an Dirigentenpulten gestählte und experimentierfreudige Musikerin, die Claudio Abbado 1998 als seine Assistentin nach Berlin und Salzburg berufen hatte. Bis 2013 leitete sie das Davos Festival. Mit der von ihr gegründeten Kammerformation "Mythen Ensemble Orchester" musiziert sie Mahlers Vierte Symphonie in einer von Klaus Simon grandios reduzierten Fassung.
Warum Mahler das Stück zunächst "Humoreske" nannte, wird hörbar im "Wechselspiel zwischen Transparenz und Transzendenz" (Contratto), das scharf und hell klingt in den Kontrastfarben von solistischen Holzbläsern, Horn, Streichquintett, Klavier, Akkordeon, zwei Schlagzeugern. Bedächtige Tempi, Phrasierung und virtuoser Glanz sind klug aufeinander abgestimmt. Rachel Harnisch besingt im Finale inständig Mahlers "Himmlisches Leben" und formt die von der Dirigentin orchestrierten fünf Klavierlieder des legendären Pianisten Artur Schnabel. Der vertonte als junger Mann, um 1900 zeitgleich mit Mahlers Vierter, für die Sängerin Therese Beer, seine spätere Frau, in spätromantischer Manier Gedichte von Dehmel, Novalis, George und Eichendorff.
Eine schöne Erstaufnahme (claves).
Article source: Süddeutsche Zeitung, by Wolfgang Schreiber, Klassikkolumne
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